Interview mit Gülcin über Hus Strungud EG

Mit Herz & Verstand - Gülcin Kaya über das Hus Strungud EG in Wyk auf Föhr

Manchmal braucht es nicht nur Mut, sondern auch ganz viel Herz, um neue Wege zu gehen... Mit dem Hus Strungud EG hat Gülcin Kaya genau so einen Weg eingeschlagen: Seit 2018 gibt es in Wyk auf Föhr die erste und bislang einzige Ferienwohnung, die mit 5 Sternen vom DTV klassifiziert und nach RolliPlus-Standard ausgezeichnet ist (Stand Mai 2025).

Gülcin, das Hus Strungud EG ist wirklich etwas ganz Besonderes. Die erste Ferienwohnung in Wyk auf Föhr, die mit RolliPlus ausgezeichnet wurde. Wann kam für dich der Moment, in dem klar war: "Ich möchte so eine Wohnung schaffen"?

Die Idee kam mir, als ich gemerkt habe, wie wenig wirklich geeignete Unterkünfte es für Rollstuhlfahrer gibt – nicht nur auf Föhr, sondern generell. Mir war sofort klar: Wenn wir so etwas anbieten, dann richtig. Funktionalität, ja – aber eben auch ein Ort zum Wohlfühlen. Kein Klinikflair, keine halben Lösungen. Sondern ein Zuhause auf Zeit.

Und dabei ist ja wirklich an jedes Detail gedacht worden. War der Weg dahin schwierig?

Auf jeden Fall! Nicht nur ich, auch die Handwerker auf Föhr mussten viel dazulernen. Es war absolutes Neuland für uns. Also haben wir uns gemeinsam durchgewühlt – gelesen, ausprobiert, verworfen und neu gemacht. Schon beim Bad ging es los: ein Waschbecken mit Mulde, eine 1,5 x 1,5 Meter große Dusche mit spezieller Armatur, ein abnehmbarer Duschsitz – selbst die Klobürste musste passen! Die Badezimmertür? Gekauft, bezahlt – und dann gemerkt: Bei offener Tür bleibt zu wenig Platz vor dem Bett. Also kam eine Schiebetür her. Oder das Bett: Anfertigen lassen vom Tischler, nur um das Innenleben herauszunehmen und ein Bett-in-Bett-System einzubauen, elektrisch höhenverstellbar, Kopf- und Fußteil individuell einstellbar, sogar ein Bettgalgen beidseitig montierbar. Manches Mal haben meine Handwerker wahrscheinlich innerlich die Augen verdreht.

Also echtes Teamwork?

Absolut. Ich wollte bewusst Föhrer Handwerker beauftragen – um die Wirtschaft hier zu unterstützen und auch, um im Notfall schnelle Hilfe vor Ort zu haben. Klar lief nicht alles auf Anhieb perfekt. Mein Lager hält heute einige teure Erinnerungsstücke bereit. Aber das Besondere war: Es war nicht nur Teamwork mit den Handwerkern. Schon während der Planungs- und Bauphase habe ich viel Feedback von Gästen und Betroffenen bekommen. Sie haben mir ihre Erfahrungen, Wünsche und Ideen mitgegeben. Ohne diese Gespräche wäre das Hus Strungud nicht das, was es heute ist.

Das klingt nach vielen unerwarteten Hürden. Gab es einen Moment, der dir besonders in Erinnerung geblieben ist?

Oh ja! Die Küche. Ich wollte eine elektrisch höhenverstellbare Küchenzeile – und zwar eine, die nicht aussieht wie eine Notlösung ohne Unterschränke. Eine schöne, funktionale Küche zu finden, war aber eine echte Odyssee. Ich habe in ganz Deutschland gesucht, bis ich jemanden in München gefunden habe, der mein Konzept verstanden hat. Gemeinsam mit den Föhrer Handwerkern entstand dann eine Küche, bei der die Arbeitsplatte elektrisch verstellbar ist und ein Hängeschrank per Fernbedienung abgesenkt werden kann – mit Stoppautomatik, falls etwas im Weg ist. Natürlich war die Küche dreimal so teuer wie eine normale – etwa 30.000 Euro –, aber das war es mir wert. Heute kann ich sagen: Sie ist wunderschön geworden und voll funktionstüchtig – für alle.

Was macht das Hus Strungud denn im Alltag so besonders?

Es sind die vielen Kleinigkeiten: breite Türen, Fenstergriffe und Lichtschalter auf idealer Höhe, ein anfahrbares Waschbecken – alles so gestaltet, dass man sich frei bewegen kann. Und besonders am Herzen liegt mir unser Haus-Notrufsystem: Es gibt ein Armband mit Alarmknopf, dazu noch zwei flexibel platzierbare Notrufknöpfe für die Räume. Im Notfall wird durch einen lauten Signalton die Begleitperson alarmiert – ganz ohne ständige Überwachung. Viele Gäste erzählen mir, wie viel freier und unabhängiger sie sich dadurch fühlen. Man hat seine Privatsphäre – und trotzdem Sicherheit. Und genau das war mein Ziel.

 

Auch bei der Aufteilung der Wohnung hast du auf Details geachtet, oder?

Ja. Ich wollte, dass auch Begleitpersonen ihren eigenen Rückzugsort haben. Deshalb gibt es ein separates Schlafzimmer und ein zweites Bad. Urlaub bedeutet ja nicht, rund um die Uhr gemeinsam auf engem Raum zu sein. Gerade wenn die Begleitperson nicht der Partner ist, ist ein eigener Bereich einfach wichtig – für die Erholung und das Miteinander.

Das Hus Strungud ist ja mittlerweile richtig beliebt. Deine Gäste geben dir auch heute noch Feedback, oder?

Ja, und darüber freue ich mich riesig! Sowohl über die Wertschätzung als auch über den Austausch. Ein schönes Beispiel sind Hans-Jürgen und seine Frau Mona. Sie kommen jedes Jahr ins Hus Strungud. Hans-Jürgen, der auf den Rollstuhl angewiesen ist, liebt es, sich völlig frei in der Wohnung bewegen zu können – unabhängig und ohne ständige Hilfe. Und Mona genießt es, sich in der Zeit im Garten zu entspannen, während er als Hobbykoch das Abendessen in der rollstuhlgerechten Küche zubereitet. Zuhause haben sie keinen Garten, also ist das ein kleiner Luxus geworden. Es ist schön zu sehen, wie sehr sie das Hus Strungud genießen – genau dafür habe ich es gebaut. Und übrigens: Auch Gäste ohne Behinderung fühlen sich hier richtig wohl. Ich bin ehrlich ein bisschen stolz auf das, was daraus geworden ist.

Das kannst du auch sein! Ich erinnere mich noch gut daran, wie viele schlaflose Nächte du damals hattest.
Gibt es im Rückblick etwas, das du heute anders machen würdest?

Ja – die Terrassenschwelle. Ich habe später eine tolle Technik entdeckt, mit der die Schwelle elektrisch komplett abgesenkt werden kann. Leider war ich zu spät dran: Die Stromleitungen fehlten und improvisieren ging nicht. Die Schwelle ist jetzt sehr niedrig – aber perfekt wäre eben noch schöner gewesen. Das ist etwas, das ich heute anders machen würde. Aber bei so einem Projekt lernt man einfach ständig dazu.

Das Hus Strungud ist also nicht nur ein Ferienobjekt, sondern wirklich ein Herzensprojekt?

Ja, absolut. In jedem Schalter, jeder Türbreite, jedem kleinen Detail steckt ganz viel Herzblut. Und das Schönste ist, wenn Gäste mir sagen: "Hier habe ich mich endlich frei gefühlt." Dann weiß ich, dass sich all die Mühe, all die Entscheidungen und Umwege gelohnt haben.

Wenn du nach vorne blickst – was wünschst du dir für Föhr?

Ich hoffe, dass Föhr insgesamt noch barrierefreier wird – bei Ferienwohnungen, aber auch bei Restaurants, Cafés, dem neuen Schwimmbad und überhaupt im Alltag. Es gibt noch viel Nachholbedarf, aber ich bin glücklich, dass wir mit dem Hus Strungud EG einen wichtigen ersten Schritt gemacht haben. Vielleicht können wir ja ein kleines Vorbild sein für andere Projekte, die noch kommen.

Danke dir, liebe Gülcin, für das offene Gespräch – und deinen Mut, neue Wege zu gehen!

Danke dir. Es war schön, sich mal wieder in die Zeit zurückzuversetzen. Und ich finde die Idee wunderbar, die Besonderheiten vom Hus Strungud auf einer eigenen Seite zu zeigen – damit zukünftige Gäste genau wissen, worauf sie sich freuen können. Ich hoffe, dass sich bei uns noch viele Menschen so frei und willkommen fühlen wie daheim.